Straßenverkehrsrecht aktuell Rettungswagen haftet trotz Blaulicht
Im Straßenverkehr müssen alle Beteiligten eine besondere Vorsicht an den Tag legen und Rücksicht aufeinander nehmen. Das steht so ausdrücklich in der Straßenverkehrsordnung. Insbesondere wenn Blaulicht zu sehen oder ein Martinshorn zu hören ist, ist besonders hohe Konzentration gefordert.
Dies gilt ebenfalls für die Führer von Polizei- und Rettungsfahrzeugen. Eine Abweichung von den Verkehrsregeln kann auch für Rettungsfahrzeuge zu einer Haftung führen. Mit einer solchen Haftung musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Urteil vom 20.11.2023, 17 U 121/23 beschäftigen.
Im zu entscheidenden Fall fuhr ein Rettungswagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinhorn auf eine Kreuzung zu. Der Rettungswagen überfuhr eine rote Ampel, um die Kreuzung zu überqueren. Auf der Kreuzung kam es zu einer Kollision zwischen dem Rettungswagen und einem PKW. Der PKW stand in der kreuzenden Straße an einer roten Ampel in der zweiten Reihe. Als die Ampel auf Grün gesprungen ist und das Auto vor ihm nicht losfuhr, wechselte der PKW auf die freie linke Spur und fuhr in die Kreuzung ein. Dort kam es zur Kollision.
Der Unfall hatte einen erheblichen Sachschaden zur Folge und es stellte sich die Frage, wer für diesen Schaden haftet.
Der Fahrer des PKW klagte und verlangte 75% des Schadens ersetzt zu bekommen. Das Landgericht Limburg und das OLG Frankfurt kamen beide zu einer Schadensquote von 50/50.
Interessant daran ist, dass der Fahrer des Rettungswagens haftet, obwohl er sein Blaulicht und Martinshorn nutzte.
Das OLG Frankfurt führt dazu aus, dass ein Fahrzeug des Rettungsdienstes zwar grundsätzlich von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit ist. Die Erfordernisse der Verkehrssicherheit aber stets Vorrang gegenüber den Interessen des Einsatzfahrzeugs am raschen Fortkommen haben. Dabei gilt, dass der Führer des Rettungsfahrzeugs eine immer höhere Sorgfalt haben muss, je größer die Abweichung von den Verkehrsregeln ist.
Wenn ein Einsatzfahrzeug eine rote Ampel überfahren will, muss sich der Fahrer davon überzeugen, dass ihn die anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen haben und sich darauf eingestellt haben, dass das Rettungsfahrzeug die Kreuzung überquert.
Der Fahrer des PKW haftet, da er nicht auf das Blaulicht und das Martinshorn geachtet hat. Zudem hat er nicht beachtet, dass das Fahrzeug vor ihm aus einem Grund stehen geblieben ist, obwohl die Ampel auf Grün sprang. Anstatt die Situation also genauer zu analysieren, fuhr er einfach auf die linke Spur und in die Kreuzung ein. Ein umsichtiger Fahrer wäre anders mit dieser unklaren Verkehrslage umgegangen.
Das Urteil stellt fest, dass auch die Fahrzeugführer eines Rettungsfahrzeugs während einer Blaulichtfahrt besondere Vorsicht an den Tag legen müssen und es auch zur Haftung für Schäden kommen kann.
OLG Frankfurt, Urteil v. 20.11.2023, 17 U 121/23