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Strafrecht aktuell Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Freigesprochenen

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 31. Oktober mit der spannenden Frage befasst, ob die Wiederaufnahme eines bereits abgeschlossenen Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen, geregelt in § 362 Nr. 5 StPO, verfassungsgemäß ist. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde:

Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1983 vom Vorwurf der Vergewaltigung und des Mordes freigesprochen.

Im Jahr 2021 führte der Deutsche Bundestag die Regelung des § 362 Nr. 5 StPO in die Strafprozessordnung ein. Demnach besteht die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Strafverfahrens, wenn

1. Neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die dringende Gründe dafür bilden, dass

2. Eine der in § 362 Nr. 5 StPO genannten Delikte begangen wurde. Infrage kommen Mord oder bestimmte Völkerstraftaten.

Aufgrund dieser neuen Regelung und neuer Ermittlungsansätze wollte die Staatsanwaltschaft den im Jahre 1983 Freigesprochenen, im Rahmen einer Wiederaufnahme des Verfahrens, erneut vor Gericht stellen. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft genommen. Gegen die Untersuchungshaft, die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Regelung des § 362 Nr. 5 StPO als solche, wendete sich der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass § 362 Nr. 5 StPO gegen Art. 103 Abs. 3 GG verstößt und somit verfassungswidrig ist. Das Grundgesetz legt fest, dass keiner wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf. Doch genau mit dieser Regel bricht der § 362 Nr. 5 StPO und das ist laut Bundesverfassungsgericht nicht mit der Verfassung vereinbar, da sonst grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt würden. Art. 103 Abs. 3 GG ist konzeptionell so angelegt, dass die Rechtssicherheit Vorrang vor der Gerechtigkeit des Einzelfalls genießt. Zudem besteht auch Vertrauensschutz der Beteiligten. Der Verurteilte oder Freigesprochene muss auf die durch das Gericht getroffene Entscheidung vertrauen können. Es existiert zwar grundsätzlich ein Interesse daran falsche Entscheidungen zu korrigieren. Allerdings muss dieses Interesse zumindest im Falle einer Korrektur zuungunsten des Beteiligten vor der Rechtssicherheit zurücktreten.

Insgesamt handelt es sich um eine schwierige Frage in rechtlicher und moralischer Hinsicht. Dies zeigt sich auch daran, dass der Senat des Bundesverfassungsgerichts keine einheitliche Meinung bilden konnte. Zwei der acht Richter sind teilweise anderer Auffassung, wie im Urteil nachzulesen ist.

BVerfG Urteil vom 31. Oktober 2023 2 BvR 900/22

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